DAX 40?
Ich war 1988 an der Entwicklung des Deutschen Aktienindex beteiligt und wende mich hier gegen die angedachte Aufstockung von 30 auf 40 Indextitel.
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Wir hatten damals die Vorgabe: So viele Gesellschaften wie nötig, so wenig wie möglich. Diese Beschränkung auf die Wesentlichen gehörte über 30 Jahre lang zum Erfolgsrezept des DAX. Sie ist eine Konsequenz aus der Kopflastigkeit des deutschen Aktienhandels. Die 30 Werte erfassen schon 75% des Kapitals und 85% aller Börsenumsätze (sogar noch mehr als 1988). Wieso das auf einmal nicht mehr reicht, hat noch niemand überzeugend begründet.
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Die Hinzufügung der zehn größten Unternehmen aus dem MDAX59 (ohne Airbus) würde die Kapitalisierung (free float) des DAX um knapp 10% erhöhen. Im Durchschnitt hätte jeder neue Titel im DAX40 ein Gewicht von 1%. So bedeutend diese Unternehmen für die Wirtschaft und für den MDAX sind, so unbedeutend sind sie für den DAX.
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Eine „Aufwertung“ des DAX ginge einher mit einer Entwertung des MDAX. Ohne die zehn größten Werte sinkt seine Kapitalisierung um über ein Drittel. Dieser Verlust ist nicht auszugleichen, indem sich der MDAX im SDAX schadlos hält. Die Amputation würde den MDAX verkrüppeln, und deshalb ist die Frage nach dem DAX-Umfang eng verknüpft mit der Frage: Retten wir den MDAX oder opfern wir ihn?
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Einige starke Werte des MDAX bringen mehr Gewicht auf die Waage als einige schwache Werte des DAX. Sie werden ausgetauscht, wenn ihr Vorsprung bis zum nächsten Verkettungstermin hält. Das allein ist noch kein Grund, den DAX um zehn Titel aufzustocken. Auch jetzt schon hat jedes deutsche Unternehmen die Chance, in den Leitindex aufzusteigen.
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Ob DAX und MDAX nach dem Kapital oder nach dem Börsenumsatz oder nach beidem sortiert werden, kann hier dahinstehen. Es sind jedenfalls objektive, quantifizierbare Kriterien. Wer danach noch in die Indexauswahl eingreift und dieses Portfolio umschichtet – etwa, weil ihm die Branchenverteilung nicht gefällt – verzerrt die Abbildung der Wirklichkeit.
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Hätten wir 1988 gewusst, wer aus der Erstbesetzung heute noch im DAX ist, so hätten wir uns mit diesen zwölf Gesellschaften begnügen können, hätten nur die Neulinge (SAP, Telekom, etc.) aufgenommen und wären 30 Jahre lang ohne Austausch ausgekommen. Erst die Aufrundung auf 30 Werte hat die ständigen Titelmutationen verursacht. Die Folge ist ein „Flattern“ in der unteren Hälfte des DAX und bei Continental ein regelrechter Drehtüreffekt. Solche Fluktuationen sind unvermeidlich und würden zunehmen, je mehr Titel der DAX enthält.
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Der DAX ist volatiler als viele seiner ausländischen Pendants. Die Anfügung weiterer Werte würde die Volatilität reduzieren. Aber das Ausmaß wird weit überschätzt. Der DAX hatte im Oktober 2020 eine Volatilität von über 30%, der HDAX 1% weniger. In ruhigeren Zeiten ist der Abstand nur hinter dem Komma zu sehen. Und der HDAX umfasst nicht 40 sondern 99 Unternehmen.
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Die Leitindizes einiger kleinerer Länder enthalten mehr Titel als der DAX. Damit sind sie aber nicht zwangsläufig repräsentativer. Auch die Größenverteilung spielt eine Rolle. Betrachten wir zwei Länder: Land A habe zehn Börsenwerte, alle gleich groß. In Land B werden 100 Unternehmen gehandelt, von denen die größten fünf 80% des Kapitals darstellen. Um auf diese Quote zu kommen, müsste A acht Titel in seinen Index nehmen, also drei mehr als B. Und Deutschland liegt dichter an B. In kaum einem anderen Land ist der Börsenhandel so kopflastig.
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Dass der DAX repräsentativ für die Volkswirtschaft sein soll, gehörte 1988 nicht zu den Anforderungen, aus gutem Grund. Es gibt in Deutschland über 700.000 Kapitalgesellschaften. Davon firmieren aber nur rund 12.000 als AG. Von diesen wiederum werden derzeit 303 Unternehmen im Prime Standard gehandelt und 142 im General Standard. Im Klartext: Der DAX ist selbst dann nicht repräsentativ für die Volkswirtschaft, wenn man ihn als Gesamtindex aller 445 Börsenwerte anlegt. Das ist aber kein Mangel des DAX. Die Börse selbst bildet nur einen kleinen Ausschnitt unserer Unternehmenslandschaft ab.
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Ein DAX40 ist etwas anderes als der DAX30. Es würde etwas serviert, das bisher so nicht auf der Karte (im Prospekt) steht. Diese Änderung dürfte ein „außerordentliches Ereignis“ sein, das eine „Anpassung der Emissionsbedingungen“ erfordert. Davon müssten dann wohl alle Inhaber von Wertschriften, die auf den DAX lauten, in Kenntnis gesetzt werden.
Ich empfehle, DAX30 und MDAX60 nicht anzutasten. Parallel zum DAX30 mag man einen DAX40 berechnen. Dann kann man es dem Markt überlassen, welche Version sich durchsetzt.
Königswinter, den 4. November 2020
Frank Mella